Zurück zur News-Übersicht
Kunststoff-Schweiz - News-Corner 09.09.2022 IWK: 160 Fachleute besuchen das Rapperswiler Kunststoffforum
Bereits zum 17. Mal lud das IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung zum Rapperswiler Kunststoffforum. Neben Fachvorträgen zu aktuellen Projekten und Themen aus der Branche standen auch wieder Laborpräsentationen mit eindrücklichen Beispielen aus aktuellen Projekten mit der Industrie im Fokus. Den Ausklang für die 160 Besucherinnen und Besucher lieferte wie immer die traditionelle Schifffahrt am Abend.
Aus der Praxis für die Praxis ist seit dem ersten Kunststoffforum das Leitmotiv und so widmeten sich die Fachvorträge auf dem Campus der OST in Rapperswil auch dieses Jahr wieder den brennenden Themen in der Kunststoff-Industrie von digitaler Vernetzung über AI-gestützte Prozessoptimierungen bis hin zu Recycling und simulationsbasiertem Design: An Highlights mangelte es nicht – von preisgekrönten Forschungsprojekten aus der Medizintechnik bis zur wohl leichtesten Feuerwehrleiter der Welt war alles dabei.
Nano-Medizin und optimierende, künstliche Intelligenz Die spannende Vortrags-Reihe leitete die Firma Hamilton ein. Die beiden Ingenieure Jonas Hilti und Bruno Arpagaus berichteten direkt aus Kundensicht über die Entwicklung von Pipettenspitzen zur Dosierung von Flüssigkeiten im Nanoliterbereich, die zusammen mit dem IWK und dem IET Institut für Energietechnik an der OST im Rahmen eines von der Schweizerischen Innovationsförderagentur Innosuisse geförderten Projektes entwickelt wurden. Für die moderne, hochautomatisierte Diagnostik und Medikamentenforschung hatte Hamilton das Ziel, kleinste Flüssigkeitsmengen über extrem filigrane Pipettenspitzen abgeben zu können. Basierend auf Prototypen und Entwicklungsarbeiten von Hamilton kombinierte das IWK sein industrienahes Spritzguss-Know-how mit der umfassenden Simulationserfahrung des IET. Das Ergebnis waren hochpräzise Pipettenspitzen, die bisher unerreichte Kleinstmengen an Flüssigkeiten kontrolliert dosiert abgeben können. Die neu entwickelten Pipettenspitzen schafften bei Dosier-Tests Kleinstmengen von weniger als 100 Nanolitern. Zum Vergleich: 1 Liter entspricht einer Milliarde Nanoliter. Für diese Leistung wurde das Projekt bereits im Juni mit einem Forschungspreis der Stiftung FUTUR prämiert.
Auch der Vortrag von Curdin Wick, Leiter Fachbereich Spritzgiessen am IWK, widmete sich einer beeindruckenden Weiterentwicklung für Servolenkungsgetriebe. Erst kürzlich schloss das IWK ein ebenfalls von Innosuisse gefördertes Projekt ab, dass den Verschleiss dieser Getriebe deutlich reduzieren und gleichzeitig das Unterstützungsmoment erhöhen konnte. In einem direkt auf diesem Erfolg basierenden Folgeprojekt sollen die erreichten Verbesserungen nochmals um fast ein Drittel erhöht werden.
Um Optimierung ging es auch im Vortrag von Mario Studer, Leiter Fachbereich Simulation und Design am IWK. Er zeigte den Anwesenden auf, welche Unterstützung das IWK bei Digitalisierungsprojekten bieten kann – von der zentralisierten Datenverwaltung für den gesamten Produkt-Lebenszyklus bis hin zu datenbasierten Produktoptimierungen mithilfe von künstlicher Intelligenz.
Leichtbau und Kreislaufwirtschaft Ein weiteres Highlight der Vorträge war die «wohl leichteste Feuerwehrleiter der Welt», wie Gion Barandun, Leiter Faserverbundtechnik/Leichtbau beim IWK, nicht ganz ohne Stolz verkündete. In Notsituationen ist jede freie Hand Gold wert. Handelsübliche Holz- oder Aluminium-Rettungsleitern wiegen zwischen 70 bis 120 Kilogramm, weshalb es zum Aufstellen 3 bis 5 Personen braucht. Zusammen mit dem IWK entwickelt Carrosserie Rusterholz im Kanton Zürich die nächste Generation ihrer vollständig aus Karbon gefertigten Feuerwehrleiter, die nur 50 Kilogramm wiegt. «Deshalb kann sie von nur zwei Personen aufgestellt werden und ist gleichzeitig äusserst robust und feuerresistent», so Barandun. Die Leiter ist bereits bei mehreren Feuerwehren im Einsatz, unter anderem auch in einer leicht modifizierten Version für Spezialanwendungen bei der Flughafenfeuerwehr in Zürich.
Die Vortrags-Reihe voller Entwicklung und Kunststoff-Produktion rundete Daniel Schwendemann, Leiter Fachbereich Compoundierung/Extrusion am IWK, mit einem Vortrag dazu ab, wie sich der ganze Kunststoff auch wieder umweltverträglich entsorgen oder sogar nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft wiederverwenden lässt. «Was die Kunststoffmenge betrifft, sind wir ja Opfer unseres eigenen Erfolgs», so Schwendemann. Fast die Hälfte allen jemals produzierten Kunststoffs sei seit dem Jahr 2000 produziert worden und immer noch wachse die Kunststoffbranche jedes Jahr um 8 bis 12 Prozent. Schwendemann präsentierte verschiedene Recyclingprojekte, unter anderem, wie aus alten Skischuhen oder Ozean-Plastik wieder neue Uhren-Gehäuse, Designerkleidungsstücke oder Smartphone-Hüllen werden können. «Wenn es uns nur schon gelingt, den meisten Kunststoff-Produkten ein zweites Leben zu geben, haben wir bereits einen Riesenhebel für Verbesserungen in Bezug auf die Nachhaltigkeit», so Schwendemann.
Laborpräsentationen und Fachgespräche im Techpark Nach den Vorträgen konnten die Besucherinnen und Besucher im Techpark im Eichwies in den Labors sowie in den auf drei Etagen verteilten, weitläufigen und grosszügig ausgestatteten Test-, Analyse-, Entwicklungs- und Produktionsräumen des IWK die neuesten Entwicklungen und Technologien der verschiedenen Fachbereiche erkunden. Von Spritzgiessen über Faserverbundtechnik und Leichtbau bis hin zu Kunststoff- und Metall-3D-Druck, mechanischen Systemen und Verbindungstechnik, mechanischen Prüfungen und Analytik sowie Fertigungstechnik für Metalle – an anschaulichen Prüfständen, Prototypen, Produktions-Demonstrationen und vertiefenden Fachgesprächen mangelte es nicht. Ergänzend wurden Laborvorträge zu ausgewählten Themen gehalten. Die Teilnehmenden konnten sich während rund drei Stunden im Techpark umsehen und auch benachbarte Institute wie beispielsweise das ILT Institut für Laborautomation und Mechatronik sowie die gut ausgestattete Werkstatt der OST ansehen.
IWK-Institutsleiter Frank Ehrig informierte die Teilnehmenden über die immer engere, interdisziplinäre Zusammenarbeit des IWK nicht nur mit dem ILT, sondern beispielsweise auch mit dem IET Institut für Energietechnik sowie dem IFS Institut für Software. Die flexible Know-how-Bündelung erlaube es dem IWK, auch hochkomplexe, disziplinübergreifende und innovative Forschungsprojekte dank kurzer Wege an der OST effizient umsetzen zu können.
Den Abschluss des Rapperswiler Kunststoffforums feierten die Teilnehmenden wie jedes Jahr mit der traditionellen Schifffahrt über den Zürichsee.