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Kunststoff-Schweiz - News-Corner
 
22.08.2019
 
  
Europäische Kunststoffindustrie: Aufs Beste hoffen, fürs Schlimmste wappnen
    
Im Vorfeld der K 2019 hat die europäische Kunststoffindustrie an mehreren Fronten zu kämpfen: Die Wirtschaft bewegt sich insgesamt auf einem gleichbleibenden Niveau, der hinausgezögerte Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU sorgt für Unruhe, wichtige traditionelle Exportmärkte wanken und eine zunehmend drastischere Einstellung der Verbraucher gegenüber Kunststoffverpackungen führen zu übereilten – manche meinen unüberlegten – Maßnahmen seitens der Gesetzgeber, um einen Weg hin zur Kreislaufwirtschaft vorzugeben.

Die deutsche Wirtschaft, eigentlich der Motor Europas, befindet sich in einer derzeit eher angespannten Situation. In den letzten Monaten sind sowohl die Exporte als auch die Importe des Landes zurückgegangen. Eine Umfrage unter Führungskräften in der Industrie ergab, dass die Produktionsaktivität im März noch unter den ohnehin schon pessimistischen Erwartungen lag. Analysten des Informationsdienstleisters IHS Markit kamen zu dem Schluss, dass sich das verarbeitende Gewerbe in Deutschland „eindeutig in einer tiefen Rezession befindet“. Damit ist Deutschland nicht allein. In Italien beispielsweise steigt die Arbeitslosigkeit wieder. Der durchschnittliche Einkaufsmanagerindex (EMI) für die Eurozone, bestehend aus den 19 Ländern, die den Euro als Währung nutzen, ist nun sogar unter den (neutralen) Wert 50 gefallen. Von den vier größten Volkswirtschaften befindet sich nur Spanien in einer guten Position. Einige Analysten erwarten dennoch ein wenn auch nur geringfügiges Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Eurozone. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals ist das verarbeitende Gewerbe im Vereinigten Königreich im März so schnell gewachsen wie seit über einem Jahr nicht mehr. Das liegt allerdings hauptsächlich daran, dass Produktionsstätten angesichts des Brexits Waren horten.

Laut Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV), sei der Umsatz der kunststoffverarbeitenden Industrie in Deutschland im vergangenen Jahr eigentlich sogar um über 3 % gestiegen – und damit etwa doppelt so schnell gewachsen wie das BIP. „Das ist bemerkenswert angesichts dessen, dass sich die Wirtschaft in einem zunehmend ungewissen internationalen Umfeld bewegt“, so Möllenstädt. Doch das solide Wachstum in weiten Teilen der Industrie „darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Kunststoffindustrie vor großen Herausforderungen steht. Die Debatte über Kunststoff in der Umwelt, die in den Medien und der Öffentlichkeit teilweise sehr emotional ist, hat erhebliche Folgen für Kunststoffverarbeiter.“ Laut Möllenstädt gehe aus der jährlichen Unternehmensbefragung des GKV hervor, dass die große Mehrheit der Unternehmen betroffen sei. „Aus unserer Sicht entwickelt sich die politische und öffentliche Debatte bisher in die falsche Richtung“, so Möllenstädt. „Die EU-Kommission und die Regierungen der einzelnen Länder versuchen, mit symbolischen Gesten, wie der Einschränkung der Nutzung von Einwegkunststoff (SUP) und Plastiktüten, auf die Bedenken der Verbraucher einzugehen. Diese Vorgehensweise mag zwar die öffentliche Diskussion auf kurze Sicht beruhigen und den Eindruck vermitteln, dass viel getan wird, doch im Hinblick auf die Umwelt und Nachhaltigkeit zeigt sie nicht die gewünschte Wirkung.“

Der Kunststoffindustrie in Europa „droht ein böses Erwachen“, meint Martin Wiesweg, Leiter des Bereichs für Chemikalien (PS, EPS und PET) bei IHS Markit. „Die Branche verzeichnete jahrelang ein gemäßigtes und doch beständiges Wachstum sowie solide Erträge, leistete einen herausragenden Beitrag zu Produkt- und Prozessinnovationen und der Schaffung von Arbeitsplätzen und bereicherte das Leben der Menschen durch Zweckmäßigkeit, Komfort und Ästhetik. Doch sie verliert zunehmend die Gunst der Öffentlichkeit. „Grund für diese Dissonanz ist die große Kunststoffabfallproblematik. Verbraucher und Behörden in Europa gehen immer schneller und verschärfter Hand in Hand gegen Kunststoffe vor und ergreifen umfassende Maßnahmen, um deren Nutzung einzuschränken und eine strikte Abfallhierarchie zu befolgen“, so Wiesweg. „Die Tatsache, dass die Behörden bereit sind, das Risiko einzugehen, Verbrauchern erhebliche Kosten und Unannehmlichkeiten zu verursachen, zeigt, wie sehr die positive Haltung der Öffentlichkeit gegenüber Kunststoffen bröckelt.“

Richtlinie zur Beschränkung von Einwegkunststoff
Das EU-Parlament stimmte im März der SUP-Richtlinie zu. Sie wird voraussichtlich bis 2021 in den Mitgliedstaaten umgesetzt. Die Richtlinie betrifft die zehn Objekte, die am häufigsten an den Stränden der EU zu finden sind. Zu den Maßnahmen zählt ein Verbot von ausgewählten Einwegkunststoffprodukten, zu denen der Markt Alternativen bietet, wie Wattestäbchen, Besteck, Teller, Strohhalme, Rührstäbchen, Becher, Lebensmittelbehälter aus expandiertem Polystyrol (EPS) und alle Produkte aus oxo-abbaubarem Kunststoff, sowie von Luftballonstäben. Die Richtlinie setzt darüber hinaus das Ziel, dass 90 % der Kunststoffflaschen bis 2029 getrennt gesammelt werden (77 % bis 2025). Mit der Richtlinie werden auch Gestaltungsvorgaben eingeführt, laut denen Deckel an Flaschen zu befestigen sind. Außerdem werden Ziele für den Gehalt an Recyclingkunststoff gesetzt: Ab 2025 sollen PET-Flaschen zu 25 % aus recyceltem Material bestehen und ab 2030 sollen alle Plastikflaschen 30 % Recyclingmaterial enthalten.

PlasticsEurope, der Verband der europäischen Kunststofferzeuger, sagte, er begrüße die Annahme der Richtlinie und die Bekräftigung, „dass die Abfallbekämpfung in der gemeinsamen Verantwortung der zuständigen Behörden, Produzenten und Verbraucher liegt.“ Der Verband fordert, umgehend Leitfäden zu Definitionen und Kategorien auszuarbeiten, um zu verhindern, dass die einzelnen EU-Mitgliedstaaten die Begriffe womöglich unterschiedlich auslegen. Die Richtlinie folgte auf die Anfang 2018 durch die EU-Kommission veröffentlichte „Europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft“. Diese enthält Pläne, wie man Abfälle eindämmen, das Einbringen von Abfällen ins Meer aufhalten und das Kunststoffrecycling für EU-ansässige Unternehmen wirtschaftlicher gestalten kann. Bis 2030 müssen alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recycelbar sein.

Alexandre Dangis, Geschäftsführer des Verbands europäischer Kunststoffverarbeiter (EuPC) mit Sitz in Brüssel, äußert sich sehr negativ über die kürzlich ergriffenen rechtlichen Maßnahmen zur Beschränkung von Kunststoffen. „Die Vorteile von Kunststoff werden viel zu oft vernachlässigt“, so Dangis. „Kunststoffe unterstützen uns im Kampf gegen den Klimawandel, denn mit ihnen können wir den CO2-Ausstoß in allen Bereichen unseres Lebens senken. Sie ermöglichen unter anderem die Vermeidung von Lebensmittelabfällen, den Leichtbau und die Wärmedämmung. Der Kreislauf von Kunststoff ist ein wichtiges Thema für die Kunststoffindustrie und sie unternimmt große Anstrengungen, um sich dahingehend zu verbessern.“ Dangis betont, es hätten zahlreiche Verbände und Unternehmen zugesichert, mehr Kunststoffabfälle zu recyceln und vermehrt recycelte Polymere einzusetzen.

Die EU gibt vor, dass zwischen 2025 und 2030 jährlich 10 Millionen Tonnen recycelte Polymere verwendet werden sollen. Um die Fortschritte der Industrie bei der Erreichung des Ziels zu überwachen und zu registrieren, lancierte der EuPC kürzlich die Onlineplattform MORE (MOnitoring Recyclates for Europe). „Mit dem zentralen Onlinetool MORE wird künftig an einem Ort überwacht, wie viele recycelte Polymere bei europäischen Kunststoffverarbeitern ihren Weg in neue Produkte finden“, so Dangis. „So kann die Industrie ihre Anstrengungen deutlich machen und konsolidierte Zahlen zur EU-weiten Verwendung von Rezyklaten nennen.“ Um die ambitionierten Ziele der EU zu erreichen, muss die Qualität von Rezyklaten verbessert werden. Studien des EuPC aus den Jahren 2017 und 2018 zufolge haben Kunststoffverarbeiter aktuell Schwierigkeiten, eine geeignete Bezugsquelle für recycelte Polymere zu finden.

Vor fast drei Jahren, auf der K 2016, riefen der EuPC, PlasticsEurope und Plastics Recyclers Europe die Polyolefin Circular Economy Platform (PCEP) ins Leben. Venetia Spencer, Secretary General der Initiative, beschreibt sie als Forum für gemeinsame Anstrengungen, das alle Akteure im Bereich der Polyolefine an einem Strang ziehen lässt, um einen Wandel in unserer Industrie zu bewirken und die Kreislaufwirtschaft voranzubringen. „Alle Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette können Mitglied unserer Initiative werden – von Herstellern, Verarbeitern, Recyclingbetrieben, Markeninhabern, Einzelhändlern und Unternehmen der Abfallwirtschaft bis hin zu allen übrigen Akteuren, die an einem beliebigen Punkt mit dem Materialkreislauf in Berührung kommen“, so Spencer. PCEP sagte zu, den Gehalt an recycelten Polyolefinen in europäischen Produkten um eine Million Tonnen zu steigern. Das ist die größte Zusage, die im Rahmen der Selbstverpflichtungskampagne der EU getroffen wurde. Ziel dieser Kampagne ist es, dass durch freiwillige Maßnahmen seitens der Industrie im Jahr 2025 in Europa 10 Millionen Tonnen Rezyklate in Produkten verwendet werden. „Wir wollen außerdem bis 2030 60 % der gesammelten Polyolefin-Verpackungen wiederverwenden oder -verwerten und über 75 % der Polyolefin-Verpackungen recycelbar gestalten“, so Spencer.

„Die Umstellung von der heutigen Linearwirtschaft auf ein regeneratives System ist eine komplexe Herausforderung. Sie erfordert Innovationen und die Zusammenarbeit auf Seiten der Industriepartner“, meint der Polyolefin-Hersteller Borealis, dessen Produktionsstätten sich überwiegend in Europa befinden. Borealis bietet nach eigener Aussage vielfältige Lösungen für die neue Kreislaufwirtschaft an. Das Unternehmen packte den Stier bei den Hörnern und konzentriert sich seit den letzten Jahren stärker auf das werkstoffliche Recycling. So kaufte das Unternehmen 2016 beispielsweise zwei der größten europäischen Betriebe in diesem Bereich auf, die nun unter dem Namen mtm plastics bekannt sind. Vergangenes Jahr wurden diese beiden Übernahmen um den Kauf eines weiteren führenden Recyclingunternehmens, Ecoplast, erweitert. Borealis entwickelte in diesem Bereich unter anderem die Full-PE-Laminat-Lösung, eine Monomateriallösung für flexible Verpackungen auf Polyethylenbasis, die sich gut recyceln lässt.

Chemisches Recycling auf dem Vormarsch
Dass das chemische Recycling zunehmend wichtiger wird, spiegelte sich diesen Januar auch in der Gründung eines neuen Verbands, Chemical Recycling Europe (ChemRecEurope), wider. Dieser soll neue, innovative Lösungen fördern und umsetzen. „Die Entwicklung von Technologien für das chemische Recycling, die eine Lösung für schwer recycelbare Kunststoffabfälle bieten, schreitet schneller voran als die Gesetzgebung und Politik darum herum“, so ChemRecEurope.

Im Dezember unterzeichnete SABIC, ein großer Materiallieferant, mit Plastic Energy, einem im Vereinigten Königreich ansässigen Vorreiter für die chemische Verwertung von Kunststoffen, eine Absichtserklärung über die Rohstoffversorgung für die petrochemischen Prozesse bei SABIC in Europa. Die beiden Unternehmen beabsichtigen, eine kommerzielle Anlage in den Niederlanden zu errichten, in der durch das Wiederverwerten und Aufbereiten von minderwertigen Mischkunststoffabfällen, die sonst verbrannt oder deponiert werden würden, ein von Plastic Energy patentierter Rohstoff namens Tacoil hergestellt wird. Die Anlage wird ihren kommerziellen Betrieb voraussichtlich im Jahr 2021 aufnehmen.

Eine weitere Größe in der Polymerindustrie, die sich die Förderung des chemischen Recyclings zum Ziel gesetzt hat, ist BASF. „Mit dem neuen ChemCycling-Projekt von BASF wollen wir einen wesentlichen Beitrag zur Wiederverwendung von Kunststoffabfällen als Rohstoff in der Produktion leisten“, erklärt ein Unternehmensvertreter. „In Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Partnern konnten wir die ersten Pilotprodukte basierend auf chemisch recycelten Kunststoffabfällen entwickeln und herstellen.“ BASF beteiligt sich außerdem am PolyStyreneLoop-Projekt. In der aktuellen Projektphase wird eine Pilotanlage errichtet, in der eine lösungsmittelbasierte Recycling-Technologie zum Einsatz kommt. Mit ihr sollen Dämmstoffe aus expandiertem Polystyrol (EPS) wiederverwertet werden können. Anders als bestehende werkstoffliche Recyclingverfahren könnte sich die Technologie auch für die Wiederverwertung von Stoffen eignen, die früher verwendete und heute verbotene Flammschutzmittel beinhalten.

Anstieg der Biokunststoffe
Welche Rolle spielen Biokunststoffe zukünftig in der Kreislaufwirtschaft? Europa zumindest erweist sich als wichtiges Produktionszentrum für diese Materialien. Aktuelle Marktdaten, die von European Bioplastics (EUBP) (in Zusammenarbeit mit dem nova-Institut) erhoben wurden, zeigen, dass rund 20 % der weltweiten Produktionskapazität von Biokunststoffen – die 2018 bei 2,11 Mio. Tonnen lag – in Europa anzusiedeln sind. Dank kürzlicher politischer Initiativen in mehreren EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Italien und Frankreich, soll diese Zahl bis 2023 auf 27 % steigen.

Es überrascht nicht, dass EUBP nach eigenen Angaben voll und ganz hinter dem Wandel Europas von einer Linearwirtschaft hin zu einer „lückenlosen“ biobasierten Kreislaufwirtschaft steht. „Doch in bestimmten Verordnungen, wie der SUP-Richtlinie zu Einwegkunststoff, wird das Potenzial von kompostierbaren und als biologisch abbaubar zertifizierten Kunststoffen nicht für die Fälle berücksichtigt, in denen EU-Vorschriften für Hygiene und den Lebensmittelkontakt erfüllt werden müssen, aber keine Mehrweglösungen genutzt werden können“, so EUBP. „Schließlich ist die Förderung des organischen Recyclings ein Stützpfeiler der Kreislaufwirtschaft in der EU.“

Auswirkungen des Brexit
Wird das Vereinigte Königreich jemals aus der EU austreten? Zum Entstehungszeitpunkt dieses Artikels lautet die Antwort „Ja“, doch das Wann und Wie ist noch unklar. Ursprünglich hätte das Vereinigte Königreich bereits dieses Jahr, am 29. März 2019, austreten sollen, doch bisher konnte sich das britische Parlament nur darauf festlegen, welche Art von „Scheidungspapieren“ es nicht mit der EU unterzeichnen will. Diese Unsicherheit treibt viele in den Wahnsinn. Als neues Austrittsdatum wurde nun der 31. Oktober vereinbart.

Niemand weiß, wie sich der Brexit auf die Kunststoffindustrie auswirken wird. Doch viele Unternehmen mit Produktionsstandorten im Vereinigten Königreich und/oder Handelsbeziehungen dorthin wappnen sich fürs Schlimmste und hoffen aufs Beste. Sie beschäftigt eine möglicherweise erforderliche umfassendere Lagerhaltung, das Risiko von Verzögerungen an den Grenzen sowie neue Zollsysteme und Codenummern. Zu bedenken ist dabei auch, dass neue Rechtsvorschriften aus dem Vereinigen Königreich eingehalten werden müssen, beispielsweise ein britisches Pendant zur EU-Verordnung REACH.

Trotz alledem zeigte sich Philip Law, Generaldirektor des Industrieverbands British Plastics Federation, im April „sehr optimistisch“, was die langfristigen Aussichten für die Kunststoffindustrie im Vereinigten Königreich anbelangt. „In der Geschäftswelt gibt es stets Widrigkeiten in irgendeiner Form, doch unsere maßgebliche Fähigkeit ist es, Wege zu suchen, bei der Problemlösung Chancen zu erkennen“, so Law. Der nie enden wollende Brexit füllte für viele vor den Fernsehbildschirmen die Leere, die Game of Thrones hinterlassen hatte – auch hier verschwanden reihenweise wichtige Persönlichkeiten von der Bildfläche. Laut Law drohe sich der Brexit in ein „Martyrium für das ganze Land“ zu verwandeln. „Unternehmen im Vereinigten Königreich sind vernünftigerweise vorsichtiger geworden und sehen von mutigen Schritten ab, doch es gibt viele andere Faktoren, die in der Kunststoffindustrie weltweit für Unsicherheit sorgen: Die Handelsspannungen zwischen China und den USA, die Konjunkturflaute in China und Deutschland und die Strapazen der Luft- und Raumfahrtindustrie“, so Law. Doch er gibt dem Ganzen eine positive Wendung: „Was das Vereinigte Königreich betrifft, müssen wir uns auf die Grundlagen konzentrieren, die die Ergebnisse der Kunststoffindustrie auch in den nächsten Jahrzehnten weiterhin in neue Höhen befördern werden. Wir verfügen über eine solide Plattform für die Rohstofferzeugung und -versorgung (...) und eine dynamische Recyclingindustrie. Es sind alle Elemente einer Kreislaufwirtschaft vorhanden.“

„Wenn es zu einem Brexit-Deal kommt, sollten wir mit den Auswirkungen des Brexits auf die Kunststoffmaschinenbranche in Europa umgehen können“, meint Thorsten Kühmann, Geschäftsführer des deutschen Fachverbands Kunststoff- und Gummimaschinen VDMA. „Bisher gehen ca. 3 % aller Exporte von Kunststoff- und Gummimaschinen, die in Europa produziert werden, ins Vereinigte Königreich. Seit dem Referendum [im Juni 2016] sind die Exporte ins Vereinigte Königreich durchweg stabil geblieben. [Selbst] wenn die Exporte für einige Zeit auf die Hälfte zurückgehen sollten, sollten europäische Kunststoff- und Gummimaschinenhersteller damit umgehen können.“

Laut Kühmann erfreuten sich europäische Hersteller von Kunststoff- und Gummimaschinen in den zurückliegenden 10 Jahren einer sehr guten Entwicklung mit einer nahezu Verdoppelung des Branchenumsatzes. Der Wendepunkt ist jetzt erreicht und auf das Jahr 2019 gerechnet prognostiziert der VDMA ein Umsatzminus von 10 Prozent für deutscher Hersteller von Kunststoff- und Gummimaschinen. „Grund hierfür ist zum einen der zyklische Abschwung, der nach zehn Jahren des Wachstums überfällig war. Dieser Abschwung wird jedoch verstärkt durch die hohe Verunsicherung, die derzeit im Automobilbereich herrscht. Bei den Investitionen besteht hier gewissermaßen Stillstand. Aber auch im Verpackungssektor wird der Einsatz von Kunststoffen immer stärker hinterfragt. Hier schlägt das schlechte Image, das dem Kunststoff heute anhaftet, voll durch“, erläutert Kühmann und ergänzt: „Zum anderen sorgt der Handelskonflikt zwischen den USA und China für weltweite Verschiebungen in den Lieferketten und verunsichert die Märkte spürbar. In Europa bestehen zudem Unwägbarkeiten auf Grund der weiterhin unklaren Modalitäten über den EU-Austritt Großbritanniens sowie der immensen Staatsverschuldung in Italien.“

Seitwärtstrend des Marktes aus Sicht der Maschinenhersteller
Engel, einer der großen europäischen Maschinenproduzenten, der sich auf Spritzgießmaschinen spezialisiert hat, gibt ab, seine Umsätze seien im Geschäftsjahr 2018/19 um rund 6 % gestiegen und bezeichnet dieses Wachstum als moderat. Doch nun befindet sich der Markt im Seitwärtstrend. „In Europa bewegt sich vor allem die DACH-Region weiterhin auf einem guten Niveau. Doch wir bemerken seit dem letzten Quartal 2018 einen deutlichen Produktionsrückgang in der deutschen Automobilindustrie. Noch ist unklar, wie sich der Brexit, Strafzölle und Sanktionen sowie die Debatte über Einschränkungen für Dieselfahrzeuge und Dieselfahrverbote auswirken.“ Das Unternehmen erklärt, dass zunehmend niedrigere Grenzwerte für Fahrzeugemissionen den Einsatz von Kunststoffen begünstigen, da Kunststoffe das ideale Material für die Gewichtsreduktion sind. Die EU geht seit Langem rigoros gegen Stickstoffoxid-, Kohlenwasserstoff-, Partikel- und Kohlenmonoxidemissionen vor und regulierte kürzlich auch CO2-Emissionen. Zwischen 2012 und 2015 wurde für Pkw dabei schrittweise ein Ziel von 130 g/km eingeführt. Ab 2021 gilt das neue Ziel von 95 g/km.

Die Kreislaufwirtschaft erweist sich als starker Motor für Innovationen auf Seiten der Maschinenhersteller und Kunststoffunternehmen. „Da die Qualität von recyceltem Material in der Regel unbeständiger ist als die von Neumaterial, kam Recyclingmaterial für viele Anwendungen bisher nicht in Frage“, so Engel. „Intelligente Assistenzsysteme – eine zentrale Funktion der Industrie 4.0 – sind im Begriff, das zu ändern.“ Auf der K 2019 stellt Engel erstmals seine intelligente Softwarelösung „iQ weight control“ in der Praxis vor. Zum Einsatz kommt dabei Recyclingmaterial. Die Software überwacht das Spritzgießverfahren Schuss für Schuss und gleicht Schwankungen automatisch und in Echtzeit aus.


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