Verkeilen im Mahlraum einer Mühle zwei Klumpen oder kommt es zum Stip-Slick-Effekt, entstehen enorme Kräfte, die im Extremfall zu einem Maschinenschaden, in jedem Falle aber zu einem Maschinenstillstand führen. Im Sinne einer hohen Produktivität und Wirtschaftlichkeit muss das vermieden werden. Deshalb entschied sich die B. Braun Melsungen AG, einer der führenden Hersteller von Medizintechnik- und Pharma-Produkten, zur Zerkleinerung der LDPE-Anfahrklumpen für eine große Brockenmühle und hat es nicht bereut. Über die genauen Beweggründe und die positiven Erfahrungen im Praxisalltag sprach K-PROFI vor Ort mit Mike Eske und Andreas Panarin.
In der Produktionshalle werden die Anfahrklumpen in Kisten gesammelt und danach vollautomatisch über eine Kippvorrichtung auf das Förderband der Brockenmühle befördert
„Als der Kolossos, wie unsere Mitarbeiter die vor zwei Jahren installierte Brockenmühle scherzhaft nennen, aufgebaut wurde, waren wir von der Größe doch etwas überrascht, aber seine Leistungsfähigkeit ist so überzeugend, dass wir sehr zufrieden mit der Entscheidung und der Beratung durch die Firma Hellweg sind“, berichtet der Meister Servicecenter Pharma Mike Eske gleich zu Beginn des Gespräches.
Erweitert und ausgebaut Aber von vorne: Das sogenannte LIFE-Werk (Leading Infusion Factory Europe) von B. Braun in Melsungen hat sich wie die gesamte Pharmasparte am Standort in den vergangenen Jahren mehr als positiv entwickelt. Von 2003 bis 2017 verdoppelte sich die Gesamtmitarbeiterzahl auf 1.200 und aus ursprünglich drei wurden sechs Blow-Fill-Seal-Anlagen. Pro Jahr werden auf diesen heute 245 Mio. LDPE-Flaschen in den Größen 250, 500 und 1.000 ml im Extrusionsblasformverfahren hergestellt, direkt mit isotonischer NaCl-, Ringer- oder Glukose-Lösung befüllt und mit einem Spezialverschluss verschlossen. Ecoflac plus – so heißen die Flaschen, die das geringe Gewicht und die Kollabierfähigkeit eines Beutels mit der Standfestigkeit und dem guten Handling einer Flasche vereinen.
„Mit diesen Behältern leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Ressourcenschonung. Sie sind im Gegensatz zu einer Flasche deutlich leichter, werden also mit weniger Material hergestellt und sind vollständig recycelbar, da sie zu 100 % aus LDPE bestehen“, unterstreicht Andreas Panarin, Global Process Engineering, CoE Pharmaceuticals, einen entscheidenden Vorteil der Infusionsflaschen, die weltweit für die Medikamentengabe, die klinische Ernährung, den Volumenersatz oder eine Flüssigkeitstherapie beim Patienten Einsatz finden. 35 % des gesamten Polymerverbrauchs für die Flaschenherstellung stammt bei B. Braun aus der hauseigenen Recyclingabteilung.
Und genau hier kommt die Brockenmühle zum Einsatz, die die bei der Produktion unvermeidlichen Anfahrklumpen sicher zerkleinert. Das so gewonnene Mahlgut wird auf einer Regranulieranlage mit Doppelschneckenextruder aus dem Hause Leistritz, Nürnberg, wieder zu Granulat verarbeitet, welches dann in die Produktion zurückgeführt wird. „Wir verarbeiten ausschließlich Abfälle aus der Primärproduktion, das heißt ohne Kontamination und ohne Fremdmaterialien“, betont Andreas Panarin.
„Die Abmessungen des „Kolossos“ haben uns zunächst überrascht, aber wir sind heute mit der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Lösung absolut zufrieden“, erklärte Mike Eske vor Ort
Hygienisch und vollautomatisiert Apropos Primärproduktion. Diese läuft im LIFE selbstverständlich unter strengen Hygieneanforderungen. Der gesamte Produktionsbereich kann ausschließlich über Schleusen und nur von geschultem Personal betreten werden, kritische Prozesse erfolgen in Reinräumen der EU-GMP-Klasse C. Voll automatisiert wird LDPE-Granulat auf den insgesamt sechs Blow-Fill-Seal-Anlagen eingesetzt, die B. Braun nach seinen Bedürfnissen konzipiert und mit teils selbst gebauten Komponenten aufgebaut hat. Je nach Format werden pro Blasvorgang 8 bis 12 Flaschen hergestellt.
Die dabei entstehenden Butzen am Flaschenboden und –hals werden abgestanzt und direkt automatisiert der Wiederaufbereitung zugeführt. In den Folgeprozessen werden die Behälter über Transportbänder sterilisiert, optisch auf Partikel geprüft und dann ebenfalls automatisch in die Verpackungseinheit gebracht. Bevor die Infusionslösungen allerdings das Haus verlassen, werden sie grundsätzlich über 10 Tage gelagert, einer stichprobenartigen Prüfung auf Keime unterzogen und erst bei Unbedenklichkeit für den Verkauf freigegeben. Alle bereits befüllten Flaschen, die aus irgendeinem Grund nicht ausgeliefert werden können, werden in Melsungen ebenfalls einer Aufbereitung zugeführt, allerdings nicht inhouse.
Erneuert und erleichtert Im hauseigenen Recyclingcenter werden ausschließlich die nicht kontaminierten Produktionsabfälle aufbereitet. Dies sind zum einen die Butzen. Sie werden derzeit noch über Transportbänder aus der Produktionshalle direkt in eine kleine Schneidmühle geführt, zerkleinert und anschließend zur Regranulierlinie gebracht. Zum anderen entstehen regelmäßig Anfahrklumpen. „Bei uns fallen pro Jahr rund 600 Tonnen Anfahrklumpen an. Jeder hat ein Gewicht von etwa 50 kg“, erklärt Mike Eske.
Für die Anfahrklumpen stand bis vor zwei Jahren ein Schredder zur Verfügung, der allerdings durch die Erweiterung der Jahresproduktionsleistung seine Kapazitätsgrenze erreicht hatte und zudem händisch befüllt werden musste. „Bei der Entscheidung für einen neuen, leistungsstärkeren Zerkleinerer war es uns sehr wichtig, eine Lösung zu finden, die unsere Mitarbeiter entlastet“, benennt Andreas Panarin einen der Gründe für die Neuinvestition. Auch wenn B. Braun mit dem Mühlenbauer Hellweg Maschinenbau aus Roetgen schon eine langjährige, gute Partnerschaft verband, so hatte man trotzdem mehrere Angebote eingeholt und sich schließlich wieder für Hellweg entschieden. „Wir haben die Brockenmühle für B. Braun ganz genau auf die hiesigen Anforderungen zugeschnitten“, erklärt der Geschäftsführer Mark Hellweg. „Flaschen schreddern können viele, aber bei Klumpen wird die Luft schon dünner. Und bei solch zähen Klumpen aus LDPE ist außerdem eine spezielle Zerkleinerungstechnologie gefragt.“
Zur Entlastung der Mitarbeiter trägt die Hebe-/Kippvorrichtung für Behälter bis zu einem Gewicht von 500 kg maßgeblich bei. Sie befördert die Brocken automatisch auf das Stahlscharnierförderband der Mühle. „Dabei ist es völlig unerheblich, ob der Mühle dann ein einziger Brocken zugeführt wird oder der gesamte Behälterinhalt auf einmal in den Mahlraum gelangt“, erklärt Mark Hellweg weiter.
„Im Rahmen eines Lean-Projektes werden wir künftig auch die Butzen in die große Brockenmühle fahren und damit die Prozesse noch effizienter gestalten können“, gibt Andreas Panarin einen Ausblick auf die künftigen Aktivitäten bei B. Braun
Leistungsstark und energiesparend Die neue Brockenmühle MDSG 1000/600 BR hat eine Mahlraumöffnung von 1.000 mal 600 mm und arbeitet mit zwei Stator- und 12 Rotor-Schälmessern. „Dank des sogenannten Schälschnitts und der besonderen Form unserer U-Cut-Messer sind alle unsere Brockenmühlen in der Lage, auch zähe und rutschige Materialien sicher zu zerkleinern“, führt Hellweg weiter aus. Außerdem sorgt die große und robuste, aber vor allem leistungsstarke Ausführung dafür, dass es selbst dann, wenn es zwischen zwei Klumpen zum sogenannten Stip-Slick-Effekt kommt, d.h. die Haftreibung größer als die Gleitreibung ist und die Klumpen „zusammenkleben“, nicht zu einer Überlast und damit zu einem Maschinenstillstand kommt. „Diese Leistungsfähigkeit erreichen wir über die Größe.“
Trotz dieser Größe kommt die Brockenmühle mit einer sehr geringen Leistung aus. Bei Volllast fließen lediglich 90 A, 12 A mehr als im Leerlauf des 90-kW-Motors. „Wir sind sehr froh, dass wir uns für die große Anlage entschieden haben, da sie uns weiteres Optimierungspotenzial bietet“, hebt Andreas Panarin hervor. Mit ihrer Maximalleistung von 6.000 kg/h könnte die neue Brockenmühle problemlos alle bei B. Braun anfallenden Abfälle, also sowohl die Brocken als auch die Butzen, zerkleinern. Und genau das plant das Unternehmen. „Wir werden dauerhaft die zweite, kleinere Schneidmühle stilllegen und die beiden Materialströme zusammenführen, so dass wir nur noch eine Zerkleinerungsanlage betreiben“, gibt Mike Eske einen Ausblick im Rahmen des Lean-Projektes im Unternehmen.
www.bbraun.com
Hellweg Maschinenbau - die Formel 1 der Schneidmühlen Hellweg-Maschinenbau hat sich auf die Entwicklung und Herstellung von Zerkleinerungsmaschinen - insbesondere von Schneidmühlen - für die Kunststoffindustrie spezialisiert. Die 1988 von Bernd Hellweg gegründete Einzelunternehmung wurde am 1.1.2000 zur Hellweg Maschinenbau GmbH & Co.KG umfirmiert, die seitdem als Familienunternehmen geführt wird.
Nachdem das Unternehmen bereits für namhafte Maschinenbaufirmen ganze Projekte entwickelt und realisiert hatte, wurde die Entwicklung eigener Produkte verstärkt vorangetrieben. Über jahrelange Entwicklungs- und Testphasen entstand ein Programm an Kunststoffzerkleinerungsmaschinen auf höchstem handwerklichen Niveau. Die in der Lohnfertigung gewonnene Qualitätsgüte wurde zum Leitfaden des eigenen Maschinenbaus. Die hohen Erfahrungswerte im Entwicklungsbereich und in der CNC-Technik ermöglichen ein sinnvolles Verhältnis zwischen Konstruktion und der nachfolgenden spanabhebenden Fertigung.
Das standardisierte Maschinenprogramm umfaßt fahrbare Beistellmühlen, Langsamläufer und Zentralmühlen in verschiedenen Größen sowie komplette vollautomatische Recycling-Anlagen. Darüber hinaus entwickelt Hellweg Maschinenbau auch Lösungen gemäß kundenspezifischer Anforderungen.
Hellweg-Schneidmühlen in massiver Bauweise stehen für fortschrittliche Technologie und gewährleisten höchste Qualitätsanforderungen - bei einem ausgewogenen Preis-Leistungsverhältnis - komplett made in Germany.
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