Kristalle und Kunststoffe - das passt doch überhaupt nicht zusammen, oder? Doch, denn Kristalle sind in der Chemie keineswegs nur die glänzenden bunten durchsichtigen Steine, die in Schmuckstücken zu finden sind und denen manche Leute Heilkräfte nachsagen. Als Kristalle werden in der Chemie alle Stoffe bezeichnet, deren Moleküle bzw. Atome oder Ionen in einer gleichmäßigen, sich wiederholenden Struktur angeordnet sind.
Das Gegenteil von Kristallen sind - chemisch betrachtet - amorphe Festkörper (griech. amorph = ohne Gestalt): Hier gibt es keine erkennbare, sich wiederholende Ordnung, in der die einzelnen Teilchen (Moleküle, Atome, Ionen) angeordnet sind. Der kristalline Zustand ist allerdings thermodynamisch stabiler, d.h. Festkörper liegen im Idealfall als Kristalle vor.
Aber was hat das mit den Kunststoffen zu tun? Die langen, wenig verzweigten Molekülketten von Thermoplasten, die nicht vernetzt sind und sich gegeneinander verschieben können, können sowohl geordnet als auch ungeordnet vorliegen und somit Kristalle oder amorphe Festkörper bilden. Die schönsten Kristalle erhielte man, wenn sich die Molekülketten ausgestreckt stapeln würden, ähnlich wie die Stapel von Holzbrettern in einem Sägewerk, ungefähr nach folgendem Schema:
Diese durchweg kristalline Ordnung kommt jedoch äußerst selten vor, weil die meisten Molekülketten sich nicht ganz ausstrecken, sondern sich nach einer kurzen Strecke falten.
Allerdings gibt es tatsächlich Kunststoffe, die die Fähigkeit besitzen, sich mit langgestreckten Ketten parallel zueinander anzuordnen, nämlich Aramide wie Nomex und Kevlar, und "Ultra-high molecular weight polyethylene", ein Polyethen, dessen Ketten unverzweigt und besonders lang sind. Bei den meisten Kunststoffen liegen die Ketten jedoch - wie gesagt - teilweise gefaltet und teilweise ohne besondere Struktur vor, und dementsprechend ordnet sich beim Feststoff nur ein Teil der Molekülketten und bildet Kristallstrukturen aus, der Rest liegt amorph vor, wie folgendes Bild zeigt (die geordneten, kristallinen Bereiche sind hellblau unterlegt).
Doch wie wirkt sich die Kristallbildung auf die Eigenschaften eines Kunststoffes aus? Je kristalliner ein Stoff ist, desto härter ist er, allerdings wird er mit zunehmender Kristallinität auch spröder. Bei Kunststoffen, die zur Herstellung von Plastikgegenständen dienen, ist also eine gewisse Kristallinität durchaus erwünscht, weil diese für die Stabilität des Kunststoffs verantwortlich ist, allerdings sind auch amorphe Regionen nötig, die für eine gewisse Elastizität sorgen, weil Plastikgegenstände schließlich nicht kaputtgehen sollen, wenn sie auf den Boden fallen. Im Bereich der Kunstfasern jedoch ist eine besonders hohe Kristallinität erwünscht, wieso, wird auf der Seite über Kunstfasern erklärt.
Und wie kommt es, dass manche Kunststoffe kristalliner sind als andere? Die Fähigkeit zur Kristallbildung hängt von der Struktur der Moleküle ab: Je gleichmäßiger ihre Struktur ist und je ähnlicher sich die Moleküle sind, desto besser funktioniert die Kristallbildung. Ein wichtiges Stichwort dazu ist bei den Kunststoffen die "Taktizität". |